Corona - ein naturgegebenes Phänomen?

Die Weltbevölkerung lebt seit ihrer Existenz mit Pandemien, seien es zum Beispiel Gelbfieber oder die Pocken.  Man möchte also meinen, wir hätten es als Menschheit mit einem naturgegebenen Phänomen zu tun, dass nun mal eben alle paar Jahrhunderte auftritt. Tatsächlich hätten die Regierungen der Länder die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Virus drastisch verringern können und auch die Folgen deutlich abmildern können. Seit Jahrzehnten warnen Epidemiolog:innen davor, dass durch Regenwald- und Naturzerstörung, globale unkontrollierte Lieferketten und insbesondere die Massentierhaltung mit ihrer weltweit vernetzten Produktion und Vermarktung, die Übertragung und Mutation von Viren auf den Menschen immer wahrscheinlicher wird.

Insbesondere die Abholzung von Wald im globalen Süden führt dazu, dass Erreger, die zuvor im Ökosystem (z.B. des Regenwaldes) eingeschlossen waren, auf den Menschen oder auf Nutztiere überspringen können und dort weiter mutieren. Die Verbreitung erfolgt durch den vernetzten Welthandels und die Möglichkeit, auch den letzten Zipfel der Erde innerhalb einiger Stunden zu erreichen, rasend. So kann es nur wenige Wochen dauern, bis es ein Virus aus dem Kongo in die deutschen Metropolen schafft.

Corona gehört, genauso wie SARS, Ebola, Aids u.v.a. zu den sogenannten Zoonosen, also Krankheiten, bei denen die Krankheitserreger ihren Ursprung in Tieren haben. Drei Viertel aller im Menschen neu auftretenden Krankheitserreger sind solche Zoonosen. Forscher schätzen dass es noch mehrere hunderttausend weitere unerforschte Viren in Tieren gibt, ein Großteil davon in domestizierten Arten. In unserer heutigen hochtechnisierten Tierhaltung werden vor allem Rassen gehalten, die zuvor auf genetisch einheitliche Merkmale gezüchtet wurden, was die Ausbreitung, das Mutieren und das Überspringen auf den Menschen begünstigt.

Aber nicht nur die neu auftretenden und mutierenden Viren sind ein Problem. Parallel zur anhaltenden Pandemie laufen wir vermutlich direkt in das nächste Fiasko. Seit vielen Jahren warnen Wissenschaftler:innen vor dem massiven Einsatz von Antibiotika in der industriellen Nutztierhaltung. Etwa 80 % der weltweit genutzten Antibiotika werden in der Nutztierhaltung eingesetzt – in den nächsten Jahren rechnet man mit einem Anstieg um weitere 70 %. In den vergangenen Jahren untersuchten Umwelt- und Verbrauchergruppierungen wie Germanwatch oder der BUND mehrfach Hühnerfleisch aus unterschiedliche Supermarkt- und Discounter-ketten. Bei mehr als jeder zweite Probe fanden Sie dabei antibiotikaresistente Keime.

Die Fleischproduktion – ein Milliardengeschäft

All dies ist seit Jahrzehnten bekannt und trotzdem wurden die Warnungen der Wissenschaftler*innen in den Wind geschlagen. Der Grund?  Die Fleischindustrie ist eine weltweite Milliardenindustrie, beherrscht von wenigen Unternehmen, die einen Großteil des Weltfleischmarkts unter sich aufteilen. Ihr Einfluss in Politik und Wirtschaft ist gewaltig.

Seit Jahren verhindern sie erfolgreich härtere Tierschutzgesetze und drücken die Preise für Fleisch so weit in den Keller, dass Bauern in den Ruin getrieben werden.

Beim »Fleischkönig« Deutschland (Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Produzent von Schweinefleisch und der fünftgrößte Produzent von Hühnerfleisch) haben sich bisherige Gesetzesinitiativen der Bundesregierung als zahnloser Tiger entpuppt. Erst kürzlich meldete die Fleischlobby einen angeblichen Rückgang der verwendeten Menge an Antibiotika. Dies sollte als Nachweis dafür geltend, dass schärfere Vorschriften zu Eindämmung der massenhaften Antibiotika-Gabe unnötig seien. Tatsächlich hat man statt der üblichen Antibiotika aber nur stärkere Reserve-Antibiotika verwendet, die eigentlich für den menschlichen Gebrauch bestimmt sind - nämlich dann, wenn kein normales Antibiotika mehr hilft. Ein Spiel mit Menschenleben zum Wohle des Gewinns.

Forschung im Kapitalismus

Aber die führenden Politiker schlagen seit Jahrzehnten nicht nur die Gefahren der Naturzerstörung und der Massentierhaltung in den Wind. Schon lange vor dem Ausbruch wurde von führenden Epidemiolog:innen und anderen Wissenschaftler:innen davor gewarnt, dass kaum ein Gesundheitssystem auf der Welt auf die Folgen einer globalen Seuche vorbereitet ist. Auch das deutsche Gesundheitssystem wurde in den letzten Jahrzehnten massiv zurückgefahren. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung wurden abgebaut, Krankenhäuser wurden privatisiert oder geschlossen. Heutzutage muss ein Großteil der Krankenhäuser zusehen, dass sie aus den Menschen, die sie behandeln, Profit für ihre Investoren schlagen. Viele Krankenhäuser behandeln schon lange nicht mehr alle Krankheiten, sondern sind fachlich hochspezialisiert. Menschen müssen für die Behandlung ihrer Erkrankungen oft lange Anfahrtswege auf sich nehmen. Nicht nur der Anfahrtsweg, sondern auch die Bürokratie sind große Hindernisse für alte und kranke Menschen und für Menschen mit geringem Einkommen. Die Bertelsmann-Stiftung, eine neoliberale wirtschaftsnahe Denkfabrik, die versucht Einfluss auf Politiker:innen auszuüben, forderte noch wenige Monate vor der Pandemie, von 1.400 deutschen Krankenhäusern rund 800 zu schließen und die restlichen weiter zu spezialisieren. Zum Wohle der Patienten natürlich. Auch die Forschung arbeitet schon lange nicht mehr unbeeinflusst. Forschung und Entwicklung findet vor allem durch große Pharmakonzerne statt mit dem Ziel, durch neue Medikamente möglichst hohe Gewinne für das Unternehmen und ihre Aktionäre zu erwirtschaften. Nicht oder nur wenig erforscht werden Bereiche, die ebendiese Gewinne nicht versprechen, insbesondere seltenere Erkrankungen und Erbkrankheiten oder eben die vorsorgliche Entwicklung anti-viraler Medikamente und Impfstoffe.