Eine Frage nicht nur in Corona-Zeiten

Neben der Gastronomie und Clubszene, treffen die aktuellen Einschnitte und Restriktionen die Kultur am härtesten. Die verschiedenen Kulturschaffenden sehen einer ungewissen Zukunft entgegen, persönliche Existenzen stehen auf dem Spiel – und dies unverschuldet! Mag auch ein Ende der Pandemie absehbar sein, mit deren Folgen wird die städtische Gesellschaft in Münster noch lange zu kämpfen haben. Steigende Ausgaben etwa im sozialen Bereich oder bei der Digitalisierung von Schulen, stehen sinkenden Steuereinnahmen gegenüber; ein Verteilungskampf wird die logische Folge sein. Wie bei all solchen Verteilungskämpfen üblich, drohen die »Kleinen« auf verlorenem Posten zu stehen. Einer dieser »Kleinen« wird die Kultur in Münster, insbesondere die Freie Kulturszene sein. Es ist die Aufgabe linken Kulturpolitik, dieser Szene beizustehen, ihren Erhalt zu sichern und sie bei der Entwicklung neuer Perspektiven zu unterstützen. Andererseits muss auch gezeigt werden, wo die entsprechenden Mittel bei limitierten Ressourcen zu suchen sind: Etwa im Ausstieg aus dem FMO im Allgemeinen oder dem Verzicht auf einen Musikcampus im Besonderen. Die Zeit für »Leuchttürme« ist vorbei, solange nicht die Kulturszene Münster in all ihrer Vielfalt gerettet ist!

A New Deal for Culture – Kulturoffensive 2022!

Ähnlich wie bei einem leblosen Körper, der mit einem Defibrillator wiederbelebt wird, wird auch die Kultur Impulse nach der Pandemie benötigen. Ein solcher könnte z.B. ein großes Kulturfest sein, bei dem sich die verschiedenen Akteure in ihrer Vielfalt präsentieren können. Seriös kann derzeit aber niemand sagen, wann ein solches Festival möglich wäre; vor 2022 ist hieran wohl nicht zu denken. Alle Impulse werden aber vergeblich sein, wenn der Kulturszene nicht auch eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird. Dies reicht von der Schaffung von kostengünstigen Ateliers über die Bereitstellung von Ausstellungs- und Proberäumen für die Freie Szene bis hin zum Erhalt bereits bestehender Räumlichkeiten. Als zentral für die Freie Kulturszene könnte sich das Ex Heerde Kolleg am Hoppengarten entwickeln, wo sich bereits einige Proberäume und Ateliers befinden. Allerdings ist schon jetzt absehbar, dass der Bedarf der Freien Szenen über den dortigen Möglichkeiten liegt, zumal dort nun auch noch eine Kita und Räumlichkeiten für das Ringenberg Stipendiumprogramm dauerhaft angesiedelt werden sollen. Überhaupt entsteht der Eindruck, dass auch bei diesem Projekt die Freie Kulturszene lediglich als Feigenblatt dienen soll. Erst auf wiederholte Nachfrage der Kulturschaffenden hatte die Stadt einen Kommunikationsprozess in Aussicht gestellt, der aber bis dato noch nicht umgesetzt wurde.

Die Krise bietet nun die Chance, durch die Einrichtung eines permanenten Kulturrates den Kommunikationsprozess in Gang zu bringen. Dieser Rat würde die Kulturschaffenden an der Arbeit des Rates und der Ausschüsse, insbesondere bei der Verteilung finanzieller Mittel für die Freie Kulturszene, beteiligen und eine enge Zusammenarbeit zwischen Kulturstätten und Kulturschaffenden fördern.

Soziale Absicherung jetzt!

Corona hat gezeigt, wie löchrig die soziale Absicherung für Kulturschaffende ist. Als besonders nachteilig hat sich gezeigt, dass die meisten keine Möglichkeiten haben, sich gegen Arbeitslosigkeit zu versichern. Zwar gibt es eine freiwillige Arbeitslosenversicherung, deren Zugang ist allerdings begrenzt. Eine freiwillige Versicherung kann nur beantragen, wer in den letzten 30 Monaten zwölf Monate lang pflichtversichert war. Damit sind die meisten, die schon seit Jahren freiberuflich in der Kultur arbeiten, ausgeschlossen. Mehr noch, wer zweimal Leistungen der freiwilligen Arbeitslosenversicherung bezieht, bevor ein neuer Anspruch (12 Monatsbeiträge) erworben wurde, fliegt raus und hat keine Chance, sich weiter zu versichern. Diese Praxis wird schon seit Jahren kritisiert – und es wäre jetzt die Zeit, die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Freiberufler:innen und Soloselbständige, nicht nur in der Kultur, zu öffnen, damit diese Menschen bei zukünftigen Krisen abgesichert wären. Auch müsste der Begriff »Künstler« weiter gefasst werden. Bis dato ist für den Staat ein »Künstler«, wer in der Künstlersozialversicherung ist. Der Kreis der Kulturschaffenden ist aber größer! Menschen, die in sozio-kulturellen Projekten oder in der ErinnerungsKULTUR arbeiten, gelten nicht als »Künstler«, haben keinen Zugang zur Künstlersozialkasse und sind besonders in der ersten Phase der Pandemie durch sämtliche Raster gefallen und eiskalt in Hartz IV abgeschoben worden. Dies ist natürlich ein Problem, welches nicht in Münster gelöst werden kann, aber die selbsternannte Stadt von Kunst und Kultur könnte sich für diese Menschen einsetzen. Wenn es stimmt, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt, dann sollten wir die Chance nutzen, Menschen in und außerhalb der Kultur zukünftig sozial besser abzusichern, damit alle in der Lage sind, ein selbstbestimmtes und kreatives Leben führen zu können.