»Sofort« soll der kleine Junge nach Hause kommen, sollte in der Schule auf Corona getestet werden, »notfalls ohne Tonni«. Was der Sohn einer münsteraner Corona-Leugnerin verinnerlicht hat, wird im  besten Fall gesundes Unverständnis, wahrscheinlich aber beträchtliche Unruhe in der Klasse des Kindes, bei Eltern & bei Lehrer:innen verursachen, - zu Recht! Denn ein Corona-Test ist nicht nur sinnvoll, sondern auch kein gefährlicher Eingriff, vor dem man die Flucht ergreifen müsste.
Ist dieser einzelne Vorfall sicher nicht »gefährlich«, so schafft es die Gesamtheit der Corona-Leugner:innen durchaus, Unsicherheit zu säen und die Akzeptanz sinnvoller Schutzmaßnahmen zu verringern. Die Corona-Leugner:innen sind also durchaus  gefährlich - ganz direkt in Bezug auf die Pandemie selbst. Insbesondere durch zahlreiche, dreiste Falschmeldungen, die von ihnen zu jeder neuen Entwicklung in Umlauf gebracht werden: von angeblich durch Masken verursachten schlimmen Hautveränderungen, über Bilder von scheinbar leeren Kliniken bis hin zur »nicht schmerzfreien Laientestung«. Andererseits werden sie von der seriösen Presse wenig beachtet, Giganten wie  Facebook & Youtube beginnen zu reagieren, indem sie die Einträge entsprechend kennzeichnen und inzwischen schwankt sogar die Bildzeitung - nicht seriös aber im Mainstream verankert - zwischen meckern & akzeptieren (»Lassen Sie sich impfen, Kanzlerin!«), nachdem sie letztes Jahr noch einen Kleinkrieg samt Falschbehauptungen gegen Christian Drosten geführt hat.
Die Teilnehmer:innen-Zahlen an Demos & Kundgebungen stagnieren oder sinken, das Maximum der für Coronaprotest Erreichbaren scheint erreicht. Zudem sind die Leugner:innen bei jedem ihrer Kämpfe erfolglos geblieben: alle Welt hält Abstand und trägt Maske, lässt sich gegebenenfalls testen und Umfragen zufolge will sich eine Mehrheit auch impfen lassen.  Die »Gefahr«, die von dieser Gruppe in der Krise ausgeht, bleibt also begrenzt, man könnte den Corona-Leugner:innen inzwischen sogar zurufen: »Das Thema ist durch, was wollt ihr überhaupt noch hier?«
Aber so einfach ist es leider nicht. Die eigentliche Gefahr ist eine andere. Die Corona-Proteste sind zu einem Sammelbecken ganz unterschiedlicher Typen  geworden: von der Esoterikerin & dem stadtbekannten Spinner über den Selbstdarsteller, den notorischen Nörgler und Außenseiter bis hin zum knallharten Rechten. Konnte man die Bewegung anfangs schon als »rechtsoffen« kennzeichnen, ist die Beteiligung - und Duldung - von Rechtsextremen inzwischen nicht mehr zu übersehen, spätestens seit dem 31. August 2020, als diese in Gruppen und in einer Selbstverständlichkeit teilnahmen, die ihnen ohne die Duldung der Leugner:innen nie möglich gewesen wäre, und Einige versuchten, den Reichstag zu stürmen.

Auch im Internet - Facebook, Youtube, allen voran natürlich Telegram - ließen sich Posts von Corona-Leugner:innen schon immer als »rechtslastig« beschreiben: Relativierungen, die in der nicht-virtuellen Welt noch einen Aufschrei verursachen (»ich fühle mich wie Sophie Scholl«), sind dort an der Tagesordnung, ebenso das Teilen von Inhalten rechtsoffener Kanäle, wie KenFM, oder Autor:innen. Protest oder Aufschrei der Community bleiben in der Regel aus. Sei es, dass eine Admin einfach nicht die Fähigkeit hat, einen Text einordnen zu können, sei es Ignoranz (»für mich zählt nur das Gesagte, nicht, wer es sagt«) oder sei es schlicht Zustimmung (»weil es so ist!«).
Sehr beliebt und entsprechend häufig ist bei der Gruppe auch der Missbrauch des Begriffs »Faschismus«: dabei ist »faschistisch« im Grunde alles, was  man ablehnt, die Corona-Schutzverordnung ebenso wie die Linkspartei.

Dass ein wesentliches Merkmal von Faschismus ist, dass dieser immer nationalistisch ist und auf Verschwörungsideologien beruht - DIE LINKE, von jeher aber internationalistisch ist und eine scharfe Gesellschaftsanalyse vorweisen kann, also gar nicht faschistisch sein kann, übersteigt offenbar den geistigen Horizont der betreffenden User:innen.
Inzwischen werden aber auch im Netz die Relativierungen immer unverblümter (»Die Maske ist der Hitlergruß von heute«; »So wie ihre Großväter, die an der Rampe standen & aussortiert haben«), eindeutig rechtsextreme Inhalte werden geteilt (»Nun ist es soweit: ich teile die AfD«). In jüngster Zeit wird sogar ganz offen gedroht: »Um den Schlauchbootfan kümmere ich mich selbst.« (Bodo Schiffmann)
Wir haben es also auch online mit einer Verschiebung nach - noch weiter - rechts zu tun, insbesondere mit der bekannten »Verschiebung des Sagbaren«.
Darin besteht die eigentliche Gefahr der Corona-Leugner:innen: Corona wird in ein, zwei Jahren Geschichte sein. Die »unheilige Allianz« mit rechtsaußen jedoch nicht. Dabei wurde die extreme Rechte, besonders die AfD, von dem Geschehen gleichsam überrascht: sie hatte  keine klare Linie (ein AfDler wollte anfangs sogar »Masken spenden«). Dann kam Querdenken und mindestens ein Flügel sprang populistisch auf den fahrenden Zug auf, zumal die AfD um Themen verlegen ist. Die »Querdenker:innen« ihrerseits sind oft zu blauäugig, um zu merken, wen sie sich da ins Boot geholt haben, wollen es nicht sehen, oder finden es nicht problematisch. Einige scheinen tatsächlich zu glauben, ihre Bewegung könne »unpolitisch« sein und alle Menschen umfassen, unabhängig von deren politischer Einstellung.  Die berühmten »roten Linien« weichen auf und sie werden sich nicht von selbst wieder stabilisieren, nur weil die Corona-Gefahr gebannt ist. Die »unheilige Allianz« wird sich neue Themen suchen und finden. Gefährlich bleibt sie nach wie vor.